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Schiffe, Züge und Flugzeuge

Moderne Flugzeuge kommen nicht ohne Aluminium aus. Deren frühe Vorläufer waren Luftschiffe,  wie der allgemein bekannte, nach dem Erbauer benannte Zeppelin. Ohne Alu hätte der wohl nie abgehoben. Zu Unrecht weitgehend vergessen ist daran der Anteil des Aluminium-Pioniers Carl Berg.

Wie Alu fliegen lernte

Aluminium ist der wichtigste Werkstoff für die Luftfahrt. Bevor Alu den Flugzeugbau revolutionierte, testeten Flugpioniere es in Luftschiffen. Das bekannteste ist der Zeppelin – ohne Alu hätte der nie abgehoben. Vergessen ist, wie wichtig die Entwicklung des Werkstoffs durch den Fabrikanten Carl Berg dafür war.

Wie Aluminium fliegen lernte

Auch Kaiser können sich irren: 1901 „gereichte“ es dem deutschen Kaiser Wilhelm II. „zur Freude“, den Grafen Zeppelin für seine „Erfindung“ des Luftschiffes zu loben. Zwar machte Ferdinand Graf von Zeppelin das bald nur noch nach ihm benannte Luftschiff vom Bodensee mit reichlich PR zu einem frühen Popstar der Lüfte. Doch ohne den revolutionären und besonders leichten Werkstoff Aluminium wäre der zigarrenförmige Zeppelin wohl nie aufgestiegen. Und das silbrig-weiße Leichtmetall für den Höhenflug stammte vom heute eher unbekannten Fabrikanten Carl Berg aus Lüdenscheid.

Berg übernahm mit gerade einmal 20 Jahren 1871 den metallverarbeitenden Betrieb seines Vaters im westfälischen Eveking bei Lüdenscheid. Der studierte Maschinenbauer erweiterte es mit Walz- und Hammerwerken. Er setzte zudem früh auf die Elektroindustrie, stellte Kupfer- und Bronzedraht für Telegrafen und Telefone her, gründete mehrere Kupfer- und Kabelwerke in Deutschland und Österreich. Der neue Werkstoff Aluminium begeisterte ihn: „Es ist so teuer wie Silber. Schließen Sie mir es vorerst in den Geldschrank!“, soll er einmal zu seinem Buchhalter gesagt haben.  

Carl Berg, porträtiert stets mit einem kräftigen Schnauzbart, erkannte als einer der ersten die besonderen Eigenschaften von Aluminium. Das von ihm 1895 entwickelte Victoria-Aluminium hatte einen besonderen Härtegrad, der das leichte und eigentlich weiche Metall verstärkte. Er fertigte daraus Becher, Feldflaschen, Bestecke, Zeltstangen und Geschosshülsen. Das Militär griff gerne zu, um das Soldaten-Gepäck leichter zu machen. Berg wurde einer der wichtigsten Pioniere der deutschen Aluminiumindustrie. Ohne ihn gäbe es die weiterverarbeitende Industrie im Sauerland nicht: Stäbe, Drähte und Rohre, die beim sogenannten Strangpressen aus Aluminium geformt werden, entstehen in den dort bis heute ansässigen Firmen.

Abenteuer Aluminium

Dafür – und für die Luftfahrt – brauchte es aber das Aluminium-Abenteuer von Berg und seine Begeisterung für Luftschiffe. Die weckte 1892 der österreichisch-ungarische Holzhändler David Schwarz. Er zeigte Berg Pläne für ein starres Ganzmetall-Luftschiff, das sich lenken ließ. Ein bedeutender Unterschied zu den flattrigen, vom Wind getriebenen Ballons, die in Frankreich und Deutschland starteten. Berg steckte sein Geld und Know-how in die Idee, entwarf und baute mit seinen Ingenieuren und Schwarz an dem Luftschiff. Erste Anläufe in St. Petersburg scheiterten jedoch. In Berlin erlaubten die preußischen Militärbehörden es Berg und Schwarz schließlich, auf dem Tempelhofer Feld ihr Luftschiff in einem Holzschuppen zu zimmern.

Das Gefährt mit spitzer Nase war rund 38 Meter lang. Sein Aluminiumgerüst umschlossen luftdicht gefalzte und genietete Aluminiumbleche, die deutlich dünner als einen Millimeter waren. Für den Auftrieb sorgte das in die Hülle gefüllte Wasserstoffgas. Um das Luftschiff lenken zu können, trieb ein 12-PS-Benzin-Motor von Daimler mehrere Propeller an, natürlich aus Alu. Eine dieser sogenannten Luftschrauben besitzt heute das Deutsche Museum München. Viel mehr blieb auch nicht übrig. Pilot Ernst Jagel stieg am 3. November 1897 nachmittags in die Alu-Gondel unter dem Luftschiff und entschwand in die Berliner Luft. Doch dann fielen die Riemen für die Propeller ab, das Gefährt stürzte auf einen Acker und zerbarst. Pilot Jagel gelang es abzuspringen, er blieb unverletzt. Ideengeber Schwarz erlebte das nicht, er starb einige Monate zuvor in Wien, seine Witwe Melanie trieb das Projekt danach energisch weiter. Auch Carl Berg sah den einigermaßen erfolgreichen, immerhin sechs Kilometer weiten Flug nicht – sondern nur die Aluminium-Trümmer. Sie wurden in seinem Werk wieder eingeschmolzen.

Carl Berg liefert das Zeppelin-Alu

Ohnehin hatte Berg bereits ein Jahr zuvor eine Zusammenarbeit mit Zeppelin vereinbart. In Eveking goss und konstruierte er die Bauteile für das Gerippe des ersten Zeppelins. Zusammengebaut wurde das LZ 1, das „Luftschiff Zeppelin“, in einer riesigen schwimmenden Montagehalle auf dem Bodensee vor Friedrichshafen. Anders als die Konstruktion von Berg und Schwarz hatte das 128 Meter lange „Ungetüm“ keine Außenhaut aus Metall, sondern aus dicht gewebter Baumwolle. Mit Graf Zeppelin an Bord hob das LZ 1 am 2. Juli 1900 ab und legte auch keine Bruchlandung hin. Ein Spektakel: Zeppelin hatte nicht vergessen, vorher kräftig dafür zu werben. Tausende Schaulustige und Prominente aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Militär und Adel standen am Seeufer und sahen die etwa 20-minütige Fahrt. Sie begründete den Ruhm der Zeppeline.

Die Luftschiffbauer profitierten auch von den Fortschritten im Motorenbau und in der Materialentwicklung – und befruchteten diese. Ein Benzinmotor von Gottlieb Daimler trieb schon 1888 einen Ballon an, der im baden-württembergischen Cannstatt abhob. Im LZ 1 steckte ein Daimler-Maybach-Motor. Wilhelm Maybach, Konstrukteur des ersten modernden Autos, gründete mit seinem Sohn Karl eigens die Luftfahrzeug-Motorenbau für den Zeppelin-Antrieb. Später wurde daraus die Maybach-Motorenbau in Friedrichshafen, die in die Motoren- und Turbinen-Union (MTU) überging. Ohne MTU-Triebwerke könnte heute etwa ein Drittel der Verkehrsflugzeuge auf der Welt gar nicht erst abheben, auch kein Airbus. Der entstehende Zeppelin-Konzern blieb sogar ein bisschen in der Familie von Carl Berg: Sein Schwiegersohn Alfred Colsman, selbst Sohn eines Aluminiumfabrikanten und in den Betrieb des Schwiegervaters Berg eingetreten, übernahm 1908 die Geschäftsführung der Luftschiffbau Zeppelin Gesellschaft in Friedrichshafen. Er leitete sie 21 Jahre und gilt als Architekt des Konzerns.

Von der Zeppelin-„Erfindung“ zum heutigen Know-how

Auf seiner Hochzeitsreise hatte Colsman zum ersten Mal Zeppelin getroffen, als er sich die schwimmende Halle für das LZ 1 auf dem Bodensee ansah. Colsman betrieb dann auch die Gründung der Zahnradfabrik Friedrichshafen (ZF), heute ein weltweit tätiger Technologiekonzern. Aus dem Zeppelin-Werk Lindau ging später Dornier hervor. Der Zeppelin-Luftschiff-Konzern wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zerschlagen. Das Metallwerk Friedrichshafen knüpfte an das Know-how der Aluminiumverarbeitung der Zeppelin-Zeit an und baute ab 1950 Großbehälter für die chemische Industrie. Seit 1995 ist der Zeppelin-Konzern wieder nach dem Grafen benannt. Auch die am Zeppelin-Bau beteiligten Unternehmen Aluminium Rheinfelden, das Aluminiumwerk Singen und die Aluminium-Werke Wutöschingen (AWW) in Baden-Württemberg existieren noch. Die Berg’schen Unternehmen, Carl Berg starb 1906, gingen später in die Vereinigten Deutschen Metallwerke (VDM), die ThyssenKrupp VDM und schließlich in die spanische VDM Metals Gruppe über. Den Grafen vom Bodensee den „Erfinder“ der Luftschiffe zu nennen, wie einst Kaiser Wilhelm II., passt übrigens doch: Zeppelin schrieb seine erste Idee für ein „starres Luftschiff“ schon 1874 in sein Tagebuch, sein Patent auf ein „lenkbares Luftschiff“ wurde 1898 eingetragen. Wegen des Erfolgs des Zeppelins – der bald nach der „Hindenburg“-Katastrophe 1937 bei New York endete – ging eine Pionierleistung unter: Carl Berg und David Schwarz waren es, die das erste starre, lenkbare Luftschiff bauten. Dank des Aluminiums.

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